Ein ungutes Gefühl erfasste mich, als ich den
brüchigen Überhang am Beginn der 11. Seillänge in Angriff nahm. Einen
Messerhaken wollte ich noch unterbringen, aber der Riss erwies sich als
verschlossen. Also doch einmal d’rüberziehen zu einem dort ansetzenden breiteren
Riss. Dem Griff für meine rechte Hand wollte ich trotz mehrmaliger Überprüfung
nicht recht trauen. Links nur eine kleine Seitleiste und alles etwas sandig von
einem darüber liegenden Ausbruch.
STURZ! Im entscheidenden Moment war wohl der
Tritt ausgebrochen und ich flog im hohen Bogen an Magnus vorbei. „Ob das der
Stand hält?“ war mein einziger Gedanke. Als ich mich etwa drei bis vier Meter
unter dem Standplatz hängend wiederfand, beruhigte mich Magnus und verwies auf
die von ihm selbst geschlagenen Haken des Hängestandplatzes. Als Familienvater
sei er schließlich immer dreifach abgesichert. Und nachdem der Panico-Führer (5. Auflage 2020) von einem Laliderer-Aspiranten eine unerschütterliche Vorstiegsmoral fordert,
startete ich zum zweiten Versuch. Jedoch hatte ich zuvor den Messerhaken doch
noch versenken können.
Aber zurück zum Anfang: Mit der Route „In einem
anderen Land“ hatten sich Magnus und ich am 5. September 2023 nominell eine der
schwierigsten in der Nordwand der Laliderer Spitze ausgesucht. Nach Vorarbeiten
mit Tommy Nagler, am 15. und 21. August 1985 durch Rudolf Alexander Mayr und Mike Rutter erstbegangen,
zieht sie durch die kompakte Wand- und Plattenzone zwischen „Auckenthaler“ und
„Rebitsch/Spiegl“. Neben einem verblichenen blauen Schriftzug vermittelt eine
kleine Rissverschneidung den Einstieg, welcher bei uns sehr sandig war (1. SL: 20
m VI-, 2 H., Stand bei Ringhaken). Gleich in der zweiten Seillänge geht es dann
richtig zur Sache: Teils technisch, teils frei wird ein Dach und eine steile,
abdrängende Rissverschneidung überwunden (2. SL: 35 m VII-/A0, frei ca. VII+,
mehrere H., Stand auf Band bei 3 H.). Auch in der dritten Seillänge schaukelt
man zu Beginn technisch über einen Dachüberhang, ehe eine Rissverschneidung auf
das große Schichtband leitet (3. SL: 40 m VI+/A1, mehrere H.). Links empor über
leichteren Fels (4. SL: 30 m III) gelangt man in einer weiteren Seillänge (5.
SL: 30 m VI-, 2 H.) über eine Wandstelle in eine Verschneidung und bis unter
eine brüchige Riesenschuppe (1 SH). Nun quert man ausgesetzt nach rechts (VI, 2
H.), um in eine Verschneidung zu gelangen. Diese empor (VI), gewinnt man
leichteres Gelände auf einer langen, nach rechts ziehenden Rampe, an deren Ende
ein Kamin hinter einen Pfeilerkopf führt (7. SL: 50 m III - IV). In steiler werdender Wand- und
Verschneidungskletterei führen zwei Seillängen (8. und 9. SL: je 25 m VI und
VI+, dazwischen 2 SH, keine ZH) bis unter die Schlüsselpassage der Route (Stand
auf Pfeilerkopf an Köpflschlinge und kleinem Cam): Eine steile Platte, welcher drei
große Löcher den Namen „Emmentaler“ bescheren.
In Wechselführung bis hier her, war es nun
Magnus der es mit dem Schweizer Käse (10. SL: 20 m VII A2) aufnehmen durfte.
Geschickt konnte er natürliche Strukturen freikratzen um kleine Cams, aber auch
einen gelben 2er unterzubringen und so die Haken (teilweise RURP’s) der
Erstbegeher ergänzen. Stets freie und technische Kletterei kombinierend, war es
schließlich eine Trittschlinge, eingehängt in zwei verkeilte und abgebundene
Haken, welche über die letzten glatten Meter half.
Die Lochplatte überwunden, leitet von einem
Hängestandplatz ein Riss (11. SL: VI+, mehrere H.) schräg links empor. Bereits
eingangs näher beschrieben, wird’s nun zum ersten Mal in der Route ordentlich brüchig.
Nach 50 langen Metern erreicht diese letzte eigenständige Seillänge das große
Band der Rechtsquerung der „Auckenthaler“.
Geleitet vom Topo der Erstbegeher aus dem Tourenbuch (ab August 1980) der Falkenhütte, deren Schwierigkeitsbewertung wir als durchwegs fair empfanden, beinhaltet dieser Bericht nur geringfügige Abweichungen in Bewertungsvorschlägen und Seillängennummerierung. Vermutlich gelang uns die 5. Wiederholung der Route, wobei die letzte Begehung 23 Jahre zurückliegt.
Gratulation wilde tour
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