Nachdem der Rückmarsch überstanden war und wir uns in unserer Unterkunft in San Martino di Castrozza ausgeschlafen hatten, stiegen wir tags darauf vorbei am Rifugio Velo (2358 m) zur Nordwand der herrlichen Cima della Madonna (2733 m) auf. Durch diese von der Ferne äußerst glatt anmutende Wandflucht führt die Route der Brüder R. und G. Messner aus dem Jahre 1968. Vom Einstieg am Wandvorbau, welchen zwei alte Sanduhrschlingen markieren, leitet die Route vorerst in einem Riss und dann in rassig kühner Kletterei bis zum VI. Grad an bestem, griffig strukturiertem Pala-Fels empor. Die Absicherung erfolgt überwiegend an Sanduhren, welche oft selbst gefädelt werden müssen und an den wenigen in der Route befindlichen Normalhaken, wobei die Wegfindung nicht immer einfach ist und immer wieder entschlossene Runouts erfordert. Nach sieben Seillängen und etwas leichterem Gelände auf der berühmten Schleierkante erreichten wir den Gipfel, dessen Namen von der Ähnlichkeit mit einer Marienstatue mit Schleier herrührt.
Nach einem verregneten Pausetag rückten wir am Freitag noch einmal aus. Mit einer Route in der 550 m hohen Westwand der Pala del Rifugio (2394 m) unter deren Fuß die Treviso-Hütte (1631 m) liegt, fiel diesmal zumindest der Zustieg etwas kürzer aus. Die nach den Initialen der Erstbegeher M. Tiozzo, P. G. Penna und A. Soccombi benannte „Via S.P.T.“ aus dem Jahre 1994 führt rechts der populäreren „Frisch/Corradini“ über meist sehr gutes, stellenweise aber auch etwas brüchiges Gestein, welches in den ersten beiden Seillängen noch oft von Graspolstern bedeckt ist. Vor allem die dort im Topo eingezeichneten Bohrhaken konnten wir nicht finden. Danach geht es überwiegend im V. bis VI. Grad mit einer Passage VII-/VII dahin, wobei der ein oder andere Standplatz sowie manche Zwischensicherungen an Schlüsselstellen in Form von schon etwas rostigen 8 mm Kronenbohrhaken ausgeführt sind. In der 11. Seillänge droht unserer Einschätzung nach eine riesige freistehende Felsschuppe zu Tale zu stürzen, welche jedoch berührungslos rechts umgangen werden kann. Nach 13 Seillängen mündet die Route in die benachbarte „Frisch/Corradini“, welche in vier weiteren Seillängen den Gipfel erreicht. Wie zwei Tage zuvor erschien mir als Karwendel-Kletterer auch dieser Pala-Abstieg aufgrund des festen Gesteins sehr angenehm und landschaftlich schön. Selbstverständlich ist jedoch durch die Ausgesetztheit noch einmal volle Aufmerksamkeit gefordert.
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